Thursday, February 18, 2010

Semlor und Fettisdagen

Partymäßig ist Schweden zwar wirklich und wahrhaftig ein vollkommen weißer Fleck auf der Karneval-Landkarte aber natürlich gibt es auch hier im protestantischen Norden einen Fettisdag (Fet-Tisdag also Fetter Dienstag) vor dem Aschermittwoch, der vor allem mit dem Verzehr der sogenannten Semla (Plural: Semlor) begangen wird.

Nun ist hier, wie im übrigen Europa, ebenfalls ein verderblicher Verfall der Sitten und Gebräuche zu beobachten und die dem Fettisdag vorbehaltene Semlor gibt es also tatsächlich schon ab dem Dreikönigstag überall zu kaufen. Das ist durchaus mit dem ab September im Supermarkt angeboten Lebkuchen vergleichbar. Das Thema spaltet die Gemüter und die Mehrheit ist sich einig - das geht gar nicht. Zu unserer Schande muss ich gestehen, uns sind da in diesem Jahr tatsächlich zwei Ausrutscher passiert, wenn auch erst Mitte Februar. Obwohl wir eigentlich zu den sozusagen fundamentalistisch verankerten Traditionalisten zählen. Aber mal ehrlich, Semlor sind einfach lecker und wenn man permanent in der Backabteilung an den Dingern vorbeiläuft, da kann es also passieren, dass man statt der sonst üblichen Kanelbullar (Zimtschnecken) urplötzlich einen Packen mit zwei Semlor im Einkaufswagen vorfindet. Der Herzallerliebste war gar nicht begeistert, aber wo das Zeug schon mal im Haus war. Sie wissen schon, der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach usw.


Semla ist aber bei weitem nicht gleich Semla und so rankt sich geradezu eine ganze Wissenschaftssparte um eben dieses kleine Stück Backwerk:



Wie so vieles Gebäck hier in Schweden bestehen Semlor aus einem Hefeteig, der zusätzlich mit Kardamom verfeinert wird. Ich liebe dieses Gewürz und kann mich quasi an den Kardamomschnecken, die es (das ganze Jahr über !!!) gibt, gar nicht sattessen. Der Herr des Hauses tendiert mehr zur Zimtschnecke, jedem Tierchen sein Plaisierchen. Nach dem Backen werden die Semlor aufgeschnitten, wobei es sich mehr um ein Hütchen als um eine Hälfte handelt. Der Boden wird in der Mitte ausgehölt und mit Mandelmasse (nicht mit Marzipan zu verwechseln und auch wichtiger Bestandteil schwedischer Backtradition) gefüllt. Gekrönt wird das Ganze mit Schlagsahne und eben jenem Hütchen.

Und da hört der Konsens auch schon auf. Der Verfall besagter Sitten und Traditionen macht sich eben auch in der Herstellung der Semlor bemerkbar, sozusagen. Manche Hersteller hölen den Hefeteig nicht aus und bestreichen die Semlor einfach nur mit Mandelmasse statt sie zu füllen - unerhört! Andere verwenden zu flüssige oder zu steif geschlagene Sahne - ein Skandal! Und wieder andere verwenden erst gar keine Mandelmasse - da hört der Spaß dann aber auch wirklich auf (es sei denn, man ist Allergiker). Auch das Hütchen darf nicht zu labrig sein und man muss wie mit einem Löffel Teile der Schlagsahne abheben und verzehren können, bevor man sich über den Rest hermacht.

Ganz traditionell wurden die Semlor mit einem Schuß warmer Milch serviert. Die Milch rundet dabei den Geschmack des Kardamom-Hefeteigs ab. Manchmal wurde auch Zimt über die Semlor und die Milch gestreut. Wir haben in diesem Jahr unsere Semlor am Fettisdagen mit Milch gegessen und so wenigstens ein bisschen unser Traditionalisten-Gewissen reinigen können. Lecker war's, ich freue mich schon auf's nächste Jahr.

EDIT: Semlor gibt es natürlich auch in jedem Café und in jeder Konditorei, aber auch da schwankt die Qualität gewaltig. In einigen Tageszeitungen kann man sich darüber informieren, wo Semlor bedenkenlos gegessen werden können und wo nicht. Und Dienstag sah man wirklich ÜBERALL und ANDAUERND Menschen mit Semlor durch die Stadt rennen ...

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