"Aber", sagte Sie mit Blick auf den Ausdruck, "something is going on. Sie können hierbleiben." Sie übergab mich dann an das Geburtsteam, ich wurde in den Kreissaal geführt und augenblicklich hatte ich heftigste Wehen, ganz so, als hätte mir gerade jemand die Erlaubnis erteilt, mein Kind zu gebären. Die Uhr zeigte mittlerweile ungefähr 6 am Nachmittag an. Der Mann entschwand noch einmal kurz und ich stand noch auf meinen Füßen, da platzte auch schon die Fruchtblase (wem das jetzt alles zu bildlich wird, der sollte vielleicht nicht weiterlesen ;O) ). Ein phänomenales Gefühl, nie habe ich mich erleichterter gefühlt, nie war ich so überrascht, wo um Himmelswillen denn auf einmal soviel Wasser herkommt.
Es war gerade noch Zeit, mich in den Gebrauch des Lachgases einzuführen, dem ich zunächst etwas skeptisch gegenüberstand. Nach einigen tiefen Zügen sah ich meinen Mann an, grinste und meinte: "So habe ich mich seit dem Studium nicht mehr gefühlt. Wunderbar." Die nächsten drei Stunden verbrachte ich mit heftigsten Wehen im Lachgasrausch und in der wilden Entschlossenheit, dass das diesmal eine sehr kurze und vor allem möglichst schmerzfreie Geburt werden sollte. Amélies Geburt vom Vorjahr hatte ich eben noch nicht vergessen (obwohl die auch sehr vorbildlich ablief) und mein Bedarf nach einem ähnlich ermattenden Erlebnis hielt sich in Grenzen. Ich bin nun wirklich kein Weichei und kein Jammerlappen, aber wie man unter Presswehen noch irgendwas kontrollieren soll, ist mir auch nach Jonahs Geburt immer noch ein Rätsel.
Aus diesem Grunde wollte ich auch eine PDA, unbedingt. Die wollte ich bei Amélie schon, konnte sie aber nicht bekommen, weil sämtliche Anästhesisten Wichtigeres zu tun hatten und es dann zu spät war. Das sollte diesmal nicht passieren. Entsprechend flehte ich den Mann an, Druck zu machen, ich wollte einfach nicht tapfer, stark und toll sein. Auch diesmal ließ der Anästhesist auf sich warten, auch diesmal war Wichtigeres zu tun. Aber er kam dann doch und - ich weiß nicht, ob das in Deutschland auch so üblich ist- auf für mich schwedisch sehr höfliche Art und Weise stellte er sich erstmal in aller Form vor: "Hello, my name is Andreas .... (den Nachnamen hatte ich nicht verstanden) and I am the responsible anaethetist. I am here to provide you a epidural anesthesia, ... " In diesem Augenblick war ich wieder vollkommen klar und schon als er zur Tür hereinkam dachte ich: "Kein Wunder, dass das so lange gedauert hat, das ist ja ein Kerl." Als er sich dann vorstellte, war meine Geduld erschöpft: "Good for you but could you please do your job now?" Ich weiß auch noch, dass ich es als vollkommen unmöglich empfand, dass ich doch bitte meine Rückenmuskelatur entspannen sollte, damit er die Nadel einführen kann. Ich lag auf der Seite und dachte, dass sowas Blödes auch wirklich nur von einem Mann kommen konnte. Überhaupt, man fragte mich zwischendurch nach meiner Personennummer, natürlich, um zu sehen, ob ich geistig auch noch anwesend war. Für eine hier in Schweden aufgewachsene Person ist die Personennummer ja soetwas wie der zweite Name, aber für mich ... ? Ich muss derart entnervt-entgeistert geguckt haben, dass die Hebamme sich darauf verlagerte, mir die Nummer vorzulesen und sie von mir bestätigen zu lassen. Zu einer unschönen Szene kam es auch wegen des Lachgases. Mir sollte irgendetwas wahsinnig Bedeutungsvolles erklärt werden, leider war aber schon die nächste Wehe im Anmarsch. Ich stammelte noch etwas von keiner Zeit, Wehe, jetzt und dann sah ich mich genötigt, der Schwester die Atemmaske aus der Hand zu reißen, um wenigstens das Schlimmste abzuwenden.
Aber was für ein Gefühl, als die PDA dann wirkte. Ich war wieder Herr meiner selbst - fast jedenfalls. Und ich konnte kontrolliert pressen, ein Hochgefühl sondergleichen. Mit zwei Presswehen war er dann auch da, der kleine Mann, sah rot und schrumplig aus und schrie aus vollem Halse. 21:14 Uhr war es und dank der Anästhesie konnte ich die nächsten Stunden vollkommen entspannt und relativ frisch damit verbringen, meinen Sohn zu bewundern. Etwas, dass mir nach Amélies Geburt nicht gelungen war und das ich in dem Zusammenhang wohl immer bedauern werde.
Als ich nach den ersten Freudentränen und einer erfolgreichen Nachgeburt allerdings in das angespannte Gesicht der leitenden Hebamme sah, schämte ich mich und zwar ziemlich fürchterlich. Vier Hebammen hatten mir in diesen drei Stunden zur Seite gestanden und mir geholfen und mich ertragen. Meine Entschuldigung folgte auf den Fuß. Und obwohl die Hebamme natürlich sagte, dass dies ganz normal sei und sie schon schlimmeres gehört hätte, so entnahm ich dem entspannten Gesichtsausdruck, der sich augenblicklich einstellte, doch auch anderes.
Im Übrigen hatte der Mann während seiner vierzigminütigen Abwesenheit schnell Sachen zusammengeklaubt, die es mir im Krankenhaus so angenehm wie möglich machen sollten und so kam ich in den Genuss meines Lieblingsgetränks, von Schokolade und einigen netten Kleinigkeiten mehr.
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