Tuesday, October 26, 2010

Mentalitätsunterschiede (2)

Wär hätte gedacht, dass ich diesen Beitrag noch einmal schreibe? Ich sicher am aller wenigsten. Aber hier kommt er jetzt und ich habe sogar noch Themen für weitere Beiträge dieser Art gefunden - wow! Dazu sei angemerkt, dass bei dem derzeitigen Vollzeit-Stress, der im realen Leben herrscht, ich dann doch fast wieder zufrieden mit mir bin. ;O) Aber das nur am Rande.

Zum Thema also. Was mir auch nach zwei Jahren immer noch positiv auffällt und was sich meiner Meinung auch deutlich auf die Kinder auswirkt, ist der Umgang mit genau diesen im "öffentlichen Raum" - also auf Straßen, Plätzen, Bussen, in Geschäften und so weiter.

Jeden Morgen muss ich die Kinder nun wieder ein paar Stationen mit dem Bus in den Kindergarten bringen und natürlich auch wieder abholen. Mal abgesehen davon, dass hier (noch) der Luxus herrscht, als Begleitperson mit Kinderwagen gratis Bus fahren zu dürfen, ist die allgemeine Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme auf busfahrende Mütter/Väter mit Kinderwagen immer wieder eine positive Überraschung - gerade auch von Menschen, die gerne mal die 60 oder 70 überschritten haben. So zahlreich wie hier die Kinderwagen sind, sind nämlich mindestens auch die "Rollatoren" (sie wissen schon, diese "Gehhilfe-Wagen"). Da kommt man sich im Bus schon mal ins Gehege. Oft passiert es, dass mir dann gerade die Besitzer dieser Rollatoren besonders freundlich helfen (!!!), Platz machen und ein nettes Schwätzchen mit den Kindern beginnen. Aber auch ansonsten gehen ältere Menschen gerne - und meist vollkommen unaufdringlich - zur Hand, wenn man mit den Kindern in unangenehme Situationen kommt. Häufig haben Damen und Herren im Großelternalter schon erfolgreich einen von Jonahs Tobsuchtsanfällen unterbrochen, in dem sie sich ihm einfach freundlich zuwandten und an seine guten Manieren appellierten: "Na, ärgerst Du Dich so sehr. So schlimm kann es doch gar nicht sein ... " etwa in dem Stil und es ist fantastisch zu sehen, wie die Kinder (Jonah! ;O) ) verdutzt darauf reagieren und augenblicklich verstummen. Mal abgesehen davon, dass einem SAchen, die die Kinder in einem unbeobachteten Moment mal ebenso auf der Straße entsorgen (Mützen, Handschuhe, Spielzeug)fast immer freundlich nachgetragen werden - oder aber, man wird von Passanten zumindest auf den Verlust aufmerksam gemacht, sodass man die Sachen noch rechtzeitig wieder einsammeln kann.
Auch andere Eltern sind meist bedacht darauf zu achten, dass gerade im Bus auch für alle Platz ist, die mitfahren wollen. Die Kinder winken einander im besten Falle zu und kurze Unterhaltungen miteinander / über die Kinder verkürzen oft die Fahrt. Ich bin mittlerweile diesbezüglich so verwöhnt, dass ich regelmäßig in deutsche Grantigkeit verfalle, wenn jemand es mal versäumt, den Kinderwagen richtig hinzurücken, wenn ich z.B. zusteigen will. (Wobei ich mich dann immer möglichst schnell zusammenraufe und mich daran erinnere, dass andere ja nun auch mal einen schlechten Tag haben können).
Im Geschäft, wenn die Kinder mal wieder super ungeduldig in der Gegend rumzappeln, kann ich fast darauf wetten, dass die Verkäuferin irgendwas aus dem Ärmel zaubert. Entweder eine erstaunliche Geduld, gepaart mit geradezu pädagogischem Geschick und irgendetwas, das die Kinder beschäftigt oder - im schlimmsten Fall - einen Lolli (die ich im Übrigen meist der Ewigkeit meiner Tasche anheim führe, sobald wir das Geschäft verlassen haben).
Kinder sind gerne gesehen, willkommen und fast niemandem (Ausnahmen gibt es natürlich überall, wenn hier auch nur sehr selten) würde es einfallen, sich über spielende, laute Kinder zu beschweren oder diese als Belästigung anzusehen. Selbst wenn die Kinder brüllen, ist die Toleranzgrenze immernoch erstaunlich hoch. Okay, Jonah hat es schon ein paar Mal geschafft, auf dem Nachhauseweg nicht nur meine, sondern auch die Nerven der gerade von der Arbeit kommenden Mitreisenden arg zu strapazieren. Trotzdem hält sich die Ablehnungshaltung immer noch spürbar in Grenzen ... so könnte ich mir das in Deutschland einfach nicht vorstellen.

Es wird auch gerne mit Kindern interagiert. Oft rufen Amélie oder Jonah einem Passanten oder Mitreisenden ein "Hej" entgegen oder winken. In mindestens 95% der Fälle kann ich darauf rechnen, dass dies mit einem Lächeln und/oder einem Gegengruß quittiert wird ... wie oft habe ich in Deutschland da schon anderes erlebt. Dabei ist es auch völlig wurscht, ob der/die Angesprochene 12, 22, 52 oder 82 Jahre alt ist. Kinder sind hier einfach normal und müssen nicht gerechtfertigt werden. Sie gehören zum alltäglichen Leben dazu, sind keine Ausnahmen und keine Exoten, sondern in den meisten Fällen eine positive Erscheinung, auch wenn diese Erscheinung gerade am heulen ist, irgendwas um sich wirft oder neugierig irgendetwas betastet. Das einzige, was meiner Beobachtung nach auf Ablehnung stößt, ist, wenn die Eltern nicht adequat (also beaufsichtigend, lehrend, fürsorglich, konsequent, geduldig) auf das kindliche Verhalten reagieren. Solange man dieses Bemühen zeigt, kann man fast mit der Unterstützung der Allgemeinheit rechnen. Wenn nicht, dann kann es schon mal offen geäußerte Kritik geben, meist in Form von knappen, trocken hervorgebrachten, sehr sachlichen Hinweisen.
Ich finde schon, dass dies ein himmelweiter Unterschied zu den Erfahrung ist, die ich in dem einen Jahr mit Amélie in Deutschland gemacht habe ... ich lasse mich aber gerne auch eines besseren belehren, falls jemand das Gegenteil zu berichten weiß ....

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