Wednesday, August 8, 2012

Geburtsbericht

Hm, mehr als zwei Wochen ist die Geburt jetzt her und dieses Mal habe ich das große Ereigniss und die damit verbundenen Schmerzen wirklich in rasender Geschwindigkeit fast schon wieder .. vergessen. Das mag vielleicht an dem Bewusstsein liegen, dass es diesmal ja auch tatsächlich das letzte Mal war. Oder dann doch an der Routine??? Wobei Routine eindeutig nicht der richtige Begriff ist. Insgesamt kann ich wohl auch behaupten, dass ich diese Geburt körperlich extrem gut weggesteckt habe und ich hege den Verdacht, dass das auch mit der Jahreszeit zu tun hat. Im Sommer fühlt man sich einfach besser, auch wenn dem vielleicht gar nicht so ist!?!?!
Der kleinste aller kleinen Männer hat sich mit der Geburt extra viel Zeit gelassen. Der berechnet Geburtstermin war am 9. Juli und wir hatten uns darauf eingestellt, dass er so +/- vier, fünf Tage dann auf die Welt käme. Ich war die Wochen zuvor schon sehr behebig und dachte daher auch nicht, dass es viel länger dauern könnte. Aber Säuglinge haben ja bekanntlich ihren eigenen Kopf, und so mussten wir ganze 6 Tage länger warten, bis neben einem harten Bauch überhaupt einmal etwas passierte. Dienstag, den 17. Juli hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass sich bald etwas tun könnte. Ein paar Wehen hier, ein paar Wehen dort und dann wieder ... GAR NICHTS. Dafür einen kleinen Mann, der für das Schwimmfinale der Olympiade trainierte - mindestens. Es zappelte und rumorte in meinem Bauch, als wäre ich im 8. Monat schwanger. Mittwochs dann das gleiche. Hier ein paar Wehen, dort ein paar Schmerzen und viel Gezappel. Naja, dachte ich, vielleicht am Donnerstag?
Als Samstag immer noch kein weiterer Fortschritt zu verzeichnen war, begann ich mir Sorgen zu machen. Und ich hatte (ganz ohne Übertreibung), so eine Ahnung. Also riefen wir im Krankenhaus an und baten, für einen Check-up vorbeikommen zu dürfen. Wir wurden von einer ganz besonders gelassenen Hebamme empfangen und mir wurde zum ersten Mal bewusst, wie nervös ich wirklich war. Das Kind bewegte sich zwar und Wehen hatte ich auch, nur so richtig in Gang kommen wollte nichts. Die Hebamme untersuchte mich und versicherte mir, dass alles ganz normal aussähe und ihrer Einschätzung nach das Kind in den nächsten 24 bis 36 Stunden kommen würde. Wir sollten doch einfach ein bisschen nachhelfen. Ich war erleichtert, denn irgendwie dachte ich, dass der kleine Mann bei dem Gezappel vielleicht doch die Nabelschnur um den Hals hätte? Das war mehr ein bestimmtes Gefühl als ein klarer Gedanke, aber die Sorge konnte ich nicht ganz abschütteln.
Sonntags hatte ich dann endlich so etwas wie regelmäßige Wehen. Ich wartete bis ich mir sicher war, dann fuhren wir ins Krankenhaus. War dort am Tag zuvor noch alles leer und ruhig, war die Geburtstation an diesem Sonntag fast voll und wir bekamen den letzten freien Kreißsaal. Die Hebamme wirkte angespannt und gestresst und ich sah vor meinem geistigen Auge die Geburt schon im Desaster enden. Diesmal war wirklich alles ganz anders. Ich hing am Wehenschreiber und war immer noch nicht davon überzeugt, dass es jetzt wirklich soweit sein sollte. Es fühlte sich einfach nicht so an. Ich hatte in aller Freundlichkeit auf eine Rückenmarksbetäubung bestanden und zum ersten Mal war es mir möglich, mit dem Anästhesisten freundliche Worte zu wechseln. Dann musste ich wieder warten, Hüften kreisen, hin und herlaufen und hoffen, dass ich mich nicht geirrt hatte. Die Hebamme erschien irgendwann wieder. Sie war die offensichtlich etwas anstrengendere Betreuung einer Erstgebärenden los geworden (Kind da!) und damit auch gleich etwas gelassener. Sie öffnete die Fruchtblase und blieb im Zimmer, um auf die Presswehen zu warten. Der kleine Mann war derweil immer noch nicht so richtig von seiner Aufgabe überzeugt, der Muttermund immer noch nicht richtig offen und überhaupt. Ich hing mental immer noch in der Luft.
Gleichzeitig mit zunehmenden Wehen ließ die Rückenmarksbetäubung nach. Das merkte ich zwar, versäumte ich aber zu erwähnen, dummerweise. Als mir dann endlich klar wurde, dass ich das mit der Rückenmarksbetäubung vielleicht doch lieber gleich hätte sagen sollen, war die Geburt auch schon im vollen Gange. Ich war wie immer bei dieser Gelegenheit lauthals - and not very ladylike - am Fluchen, nur um mich gleich danach bei der Hebamme und der nun anwesenden Krankenschwester wieder zu entschuldigen. Obwohl ich Presswehen übelster Sorte hatte, bat ich die Hebamme nachzusehen, wie weit die Geburt fortgeschritten war. Auch hier hatte mein Gefühl mich nicht getäuscht. Der kleine Mann "hing fest" - an einer Kante des Muttermundes, wie die Hebamme sich ausdrückte. Also wurde wieder mal mit der Hand nachgeholfen, was mich jetzt nicht unbedingt glücklicher machte und sehr an die Geburt meiner Tochter erinnerte. Es gibt so einen Moment während einer Geburt, da hat man das Gefühl, dass außer den Schmerzen alles andere zum Halten gekommen ist. Es geht nicht wirklich weiter vor und zurück nun schon gar nicht mehr. Ehrlich, ich wollte nur noch weg. Meine Sachen packen und nach Hause gehen. Sollten die doch das Kind alleine auf die Welt bringen. Irgendwann in dieser sehr intensiven Phase steckte noch die ablösende Hebamme den Kopf ins Zimmer und fragte, ob sie jetzt übernehmen solle. Ich starrte die Frau wütend an, ich war versucht ihr meine gesamte Frustration entgegen zu schleudern und hörte den Mann der Hebamme mit einem Räuspern erklären, dass ich wohl lieber wollte, dass sie die Geburt mit mir zu Ende bringe. Dann wurde ich wütend. Ich brüllte in etwa: "Genug, ich will nur noch das dieses Kind jetzt endlich RAUS kommt. RAUS, RAUS, RAUS." Die Hebamme überging diesen leicht psychopathischen Anfall professionell und begann mir kurze, aber sehr präzise Anweisungen zu geben. Mir gelang es endlich (nach 3 Geburten!!!) diese anzunehmen, zu verstehen und auszuführen. Als der kleine Mann schon fast das Licht der Welt erblickt hatte, gebot die Hebamme Einhalt. Mitten in einer Presswehe. Ich starrte auf den Kopf meines Kindes und dachte: "Warum alles in der Welt DAS jetzt?" - Schmerzvoller ging es eigentlich nicht mehr.
Dann durfte ich mit der nächsten Presswehe endlich den kleinen Mann zur Welt bringen und mit einer unglaublich schnellen und geschickten Drehung des Kindes entwand die Hebamme den kleinen Mann der Nabelschnur, die sich ganz richtig um seinen Hals gelegt hatte. Mir entfuhr ein "Ich wusste es!". Sekundenlang passierte nichts, die Hebamme wurde bleich und stammelte: "Er ist ein bisschen müde von der Geburt, ich muss ihn raus bringen. Papa bitte mitkommen." Und sie rannte. Ich war nicht schockiert, ich hatte verstanden, sah Hebamme und den Herzallerliebsten nach draußen eilen und dachte und fühlte erstmal nichts. Nach einer Minute begann ich mir Sorgen zu machen. Der kleine Mann würde mich jetzt doch nicht im Stich lassen? Schließlich hatten wir das Schiff bis hierhin geschaukelt, das Schlimmste vermieden, er würde jetzt ja wohl nicht einfach schlapp machen? Ich wollte bei  meinem Kind sein, jetzt. Wieder steckte die ablösende Hebamme den Kopf ins Zimmer und diesmal erwies sie sich als Engel mit guter Botschaft. Sie sah meine besorgte Miene und sagte: "Keine Sorge, er brüllt die ganze Station zusammen."
Ich konnte also in Ruhe warten, bis Mann und Sohn wieder in den Kreißsaal kamen. Dort verbrachten wir noch drei Stunden, in der ersten Zeit nach der Geburt fühlte ich mich sehr schlapp. Dann kam ich auf mein Zimmer (das Krankenhaus bietet ein Patientenhotel an, man bekommt ein bequemes Einzelzimmer mit Bad und Fernsehen, die Betreuung wird von Stationshebammen übernommen). Die erste Nacht war immer noch schmerzvoll, die Nachwehen fühlten sich auch nicht anders an als die Geburtswehen und ich bekam nur sehr wenig Schlaf, dafür aber eine gesunde Dosis Schmerzmittel. Aber der kleinste aller kleinen Männer in dieser Familie war da, er war gesund und es war endlich mal ein Kind, dass gleich nach der Geburt ein bisschen aussah wie Mama, da waren der große Mann und ich uns einig.

Geburtsdaten: 22. Juli 2012, 21:23 Uhr
Geburtsgewicht: 3.550 g
Größe: 51 cm

1 comment:

Dine said...

hallo nordlicht,
ganz liebe glückwünsche zu der geburt deines sohnes.
ich habe grade ganz gebannt die zeilen gelesen und bin immer noch sehr ergriffen (habe selber 2 söhne).
vile gute nerven und ebensoviel humor und gelassenheit für dich und deinem leben mit jetzt 4 kindern (*respekt*)
lg
dine