Geliebte wurden Königen seit jeher nicht zum Verhängnis. Auch Carl Gustaf von Schweden haben die Enthüllungen über eine frühere Liebesaffäre nach Auffassung des Historikers Fabian Persson bisher nicht so geschadet, wie zu erwarten gewesen wäre. (FAZ online)
Die Lust der Medien am Tratsch ist doch bemerkenswert. Am "Skandal und Skandalbuch um den schwedischen König" (eine Geliebte! Frauen! Freunde mit zweifelhaften Hobbys! illegale Nachtclubs!) ist man in den letzten Wochen ja kaum vorbeigekommen, weder hier "vor Ort" noch in der deutschen Medienlandschaft. Das führte zum einen zu intellektuellen Ergüssen in der Süddeutschen (Ein Herz und eine Krone), die mich beinahe dazu veranlassten, meine eigene Abhandlung über die Distanz des öffentlichen und privaten Raumes und dessen Entwicklung von der Neuzeit bis in die Postmoderne und den spezifischen Fall Schweden zu schreiben - aber der schnöde Alltag und der Umfang des Projektes hat es verhindert. Zum anderen neben einigen Klatschspalten-Artikeln, jetzt also noch zu einem Interview in der FAZ.
Um das Thema noch möglichst lange weiterzuköcheln, werden nun die Historkier bemüht, die erklären, was man doch eigentlich ohnehin wissen sollte: ist alles nix neues. Aber vielleicht setzte ich da zu viel voraus. Schön an dem Interview sind meiner Meinung nach diese beiden Zitate, weil sie die Sache auf den Punkt bringen und in ihrer Art so herrlich kurz, knapp und ein bisschen schwedisch sind:
"Er ist der König. Ein König tritt nicht zurück, er stirbt."
- Mehr muss man dazu eigentlich ohnehin nicht sagen, wer einen freiwilligen Rücktritt des Königs erwartet, hat vom Wesen einer Monarchie wenig Ahnung ... der König würde die gesamte Monarchie irgendwie ad absurdum führen, wenn er so ganz freiwillig und ohne Putsch oder sonstige gewaltätige Aufregung abtreten würde, im Ernst. Dann eher enthaupten, bitte. ;O)
"Waren die schwedischen Medien vorher vielleicht zu naiv, zu königstreu, wenn sie doch nicht berichteten, was angeblich in Stockholmer Journalistenkreisen längst bekannt war?
Sie waren darauf bedacht, Distanz zum Privatleben der Königsfamilie zu wahren. Sicher aber wird sich künftig einiges ändern müssen. Allein schon, weil das Internet immer schneller Gerüchte aus Stockholm in ganz Schweden verbreiten kann. Aber, und vielleicht mag es für Sie recht konservativ klingen, ich denke, es wäre doch schön, wenn sich auch künftig ein Standard des Abstands bewahren ließe."
Womit wir irgendwie an den Kern der Sache gelangen. Nach intensiver Analyse kam ich mithilfe meines in diesen Dingen (sprich: Beobachtung und Erkennen von kulturellen Eigenheiten, insbesondere hier in Schweden) m.M.n. recht feinfühligen Mannes zu dem (natürlich subjektiven) Schluss:
das Waschen schmutziger Wäsche in der Öffentlichkeit ist eigentlich etwas eher "un-schwedisches". Man ergötzt sich nicht am Leid anderer(in diesem Fall die geprellte Ehefrau/Königin), man sieht darüber hinweg, vor allem, wenn es sich um ein Symbol nationalen Stolzes wie den König handelt. Es langt auch vollkommen, wenn sich die beiden Eheleute das Leben im Privaten gegenseitig schwer machen. Jedenfalls war das wohl bisher so. Das erklärt auch, warum das Buch (Der widerwillige Monarch - Den motvilliga monarken) überhaupt so ein Aufsehen in Schweden erregen konnte, es ist sozusagen etwas vollkommen neues. Man kannte das von den Briten und anderen "auf dem Kontinent", aber hier in Schweden? Wohl eher nicht, das entsprach mehrheitlich wohl nicht dem eigenen Anspruch und Selbstbild.
Das erklärt auch das sehr unbeholfen wirkende Auftreten des Königs anlässlich der Elchjagd vor zwei (?) Wochen.
Beim ersten Sehen habe ich mir im Geiste die Haare gerauft und mich gefragt, was sich die PR-Menschen am Hof dabei eigentlich gedacht haben? Den Mann einfach so völlig ungebrieft (=unvorbereitet) vor die Kamera zu schicken ... Aber dieses peinlich betretene Auftreten, diese unbeholfene Art ... mir ist das privat schon oft in anderen Situationen begegnet und ich habe fest vor, dem wann, wieso, weshalb und warum noch einen Blogeintrag zu widmen. Heute hat mich nur erstaunt, dass sich die "seriöse deutsche Medienlandschaft" immer noch mit dem Thema auseinandersetzt ... und dann musste ich mich doch auch mal dazu auslassen ... ;O)
Für mich ist die Monarchie hier in Schweden schlicht ein Aspekt der Landeskultur, den ich so von Deutschland nicht kenne und dessen Ausprägung ich bisher zwar als sehr teuer, aber aufgrund seiner bisher andauernden historischen Kontinuität und der starken Präsenz doch auch als interessant und eigentlich ganz angenehm empfinde.
Mein Mann hat das dann auch ganz hübsch auf den Punkt gebracht - so irgendwie:"Eigentlich wussten doch alle, dass der König ein Casanova ist, es wurde einfach nur nicht darüber gesprochen. Es hat auch niemanden interessiert, denn seine Rolle als Repräsentant hat er immer gewissenhaft erfüllt. Einzig wirklich peinlich an der ganzen Geschichte ist ohnehin nur der schlechte Geschmack, den er bewiesen hat."
EDIT 24.11: Laut heutiger "Metro" ist die Unterstützung für die Monarchie in den letzten Wochen sogar um 6 % gestiegen ... hört, hört!! Ob das allerdings ein langfristiger Trend ist???
4 comments:
Dass die Monarchie Teil der Landeskultur ist, würde ich nicht voll unterstreichen.
Vom eigenen Anspruch her ist Schweden eine Republik, die sich einen König hält. Im permanenten Bestreben, in Disziplinen wie Demokratie, Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und Gleichstellung führend zu sein, wird man sich diese Institution auch nur so lange bewahren, wie sie diesen Leitlinien nützt. Wie IKEA und Volvo ist das Königshaus ein Aushängeschild, das Schweden diesen allumfassend positiven Ruf beschert hat.
Wenn der König nun Verhalten an den Tag legt, das nicht nur menschlich ist (wie bei der Affäre), sondern sogar nach schwedischem Verständnis strafbar (wie bei den Prostituiertengeschichten), dann dürfte das die Substanz erodieren. In wohl keiner europäischen Monarchie ist offener Republikanismus so verbreitet wie in Schweden. Die Unterstützung für die Monarchie sinkt seit 15 Jahren, und diese Geschichte dürfte dazu weiter beitragen.
Naja, wenn man das ganze rein historisch betrachtet, dann kann man "schwedische" Könige bis ins 10. Jhd. nachweisen. Mindestens mit König Wasa dürfte man dann wohl erstmals von einem wirklich "schwedischen" König sprechen dürfen. "Schwedisch" in Anführungszeiten, weil moderne Nationalstaaten eben erst viel später entstanden sind. Aber - nicht umsonst ist man heute noch Stolz wie Harry auf eben jenen König Wasa und benennt Knäckebrot nach ihm. ;O)
Der Bruch kommt mit dem vom Parlament eingesetzten ersten König aus dem Geschlecht Bernadotte. Dennoch wurde bewusst an der Monarchie festgehalten, schließlich wurde das Amt seitdem immernoch durch Erbfolge und nicht durch Wahl vergeben. Dass die Schweden, was die Entwicklung des Parlaments und des Demokratiegedankens anbelangt, sich hier seitdem konsequent weiterentwickelt haben und die Monarchie auf repräsentative Aufgaben (außer im Krisenfall) beschränkt haben, ist eine Tendenz, die für diesen Zeitraum (einsetzendes 19. Jhrd bis Anfang/;Mitte 20. Jhd.) in vielen Teilen Europas beobachtet werden kann.
Das ist ein derart umfassendes Thema, dass ich damit gar nicht erst anfange, dazu bin ich nämlich wirklich nicht ausreichend mit der schwedischen Geschichte vertraut (interessieren würde es mich aber schon mal und irgendwann, wenn ich mal wieder zu viel Zeit habe ... ).
Also meine Behauptung, dass die Monarchie Teil der Landeskultur ist, kann ich ruhigen Gewissens stehen lassen.
Was den Rechtsverstoß anbelangt ... siehe das FAZ-Interview. Die Schweden müssten jetzt schon einen Volksaufstand o.ä. proben, um den König diesbezüglich wirklich zu belangen. Sieht mir aber nicht danach aus. Auch das ein typischer Wesenszug der Monarchie. Solange das Parlament jetzt keinen Grund zum Handeln sieht (und es scheint, die Belege im Buch sind dann doch nicht eindeutig und durchschlagend genug) passiert hier - erstmal - gar nichts.
Was die abnehmende Unterstützung für das Königshaus anbelangt: die schwedische Gesellschaft befindet sich seit mindestens 10-15 Jahren in einem Umbruch. Ich bin kein Soziologe und auch kein Politikwissenschaftler, aber dass hier ganz langsam von alten Mustern abgewichen wird und das politische System und die Gesellschaft sich in einem grundlegenden Veränderungsprozess befinden, dürfte dem aufmerksamen Beobachter nicht erst seit Fredrik Reinfeldt aufgefallen sein. Es würde also nicht überraschen, wenn die Monarchie diesem Wandel früher oder später "zum Opfer fällt", richtig.
Das Buch und dieser Skandal sind ein Symptom für diesen Wandel, ein Rädchen in der Maschinerie dieser Entwicklung. Aber es wird den Wandel nicht herbeiführen. Der kommt vermutlich auf viel leiseren Sohlen daher ...
Angemerkt sein noch, dass ich weder eine besondere Sympathie noch Antipathie für den König hege (er ist mir eigentlich ziemlich egal). Wie gesagt, ich finde diesen Aspekt "Monarchie" einfach interessant ...
Dass sich dadurch irgendwelche Konsequenzen für den König ergeben, halte ich auch für äußerst unwahrscheinlich. Das ist eher ein schleichender Prozess. Von der Geschichte wird hängenbleiben, dass der König damit schlecht umgegangen ist und das auch dem Ansehen der Monarchie geschadet hat. Ich denke, wenn er in entsprechendem Alter abdankt, dann wird Victoria diesen Prozess zumindest aufhalten.
Die Tendenz, den Monarchen immer mehr ins Repräsentative zu drängen, ist in der Tat überall in Europa zu beobachten und hat nun wohl seinen Abschluss gefunden. Die Resultate sind aber sehr unterschiedlich. Der schwedische König ernennt keine Regierung, unterzeichnet keine Gesetze und völkerrechtlichen Verträge, schlägt keine Ritter, erhebt niemanden in den Adelsstand und vergibt keine Orden.
Zumindest die erstgenannten Dinge gehört eigentlich zu den Aufgaben jedes Staatsoberhaupts, ob nun Monarch oder nicht.
Mein Eindruck von der Verfassung ist, dass man die Monarchie nur beibehielt, weil sie im Volk so beliebt ist - eher als notwendiges Übel denn aus echter Überzeugung.
Gerade Dein persönlicher Eindruck ist genau der springende Punkt und die (an der ganzen Sache eigentlich interessante) Frage, die man wohl nur mit einer genaueren Analyse der Entwicklung seit 1809 beantworten könnte. Ich vermute, bis zum jetztigen Zustand wurden da nochmal einige Phasen durchlaufen ....das wann, wie und wo, wäre eben spannend.
Ansonten: Jo! ;O)
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